Die Erben von Sevenwaters by Juliet Marillier

Autor:Juliet Marillier [Marillier, Juliet]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Paranormal
ISBN: 9783426508909
Google: AvtqAgAAQBAJ
Amazon: 3426508907
Herausgeber: Knaur eBook
veröffentlicht: 2011-07-01T22:00:00+00:00

Kapitel 10

Es war nicht Cathal, der mich vor Sonnenaufgang weckte, sondern Becan, der lauthals Nahrung forderte. Ich fütterte ihn gähnend. Cathal berichtete, dass er nichts Ungewöhnliches gesehen hätte, und erklärte sich widerwillig bereit, eine Weile zu schlafen, während ich Wache hielt. Er weigerte sich aber, seinen Umhang anzulegen; er meinte, mir wäre zu kalt ohne ihn. Also wartete ich, bis er eingeschlafen war, und deckte ihn dann mit dem Umhang zu, bevor ich mich mit Becan in den Armen ans Feuer setzte. Der Wald war still; nichts regte sich im Unterholz, nichts schrie über mir in den Bäumen. Das Mondlicht war fort, und die Farbe des Himmels ließ vermuten, dass die Sonne bald aufgehen würde – sofern sie sich in diesem gespenstischen Reich überhaupt zeigte. Zwar war die Luft kühl und frisch, doch irgendetwas an diesem Ort bewirkte, dass ich mich fühlte, als wäre ich unter der Erde – mit einem drückenden Gewicht über mir. Ich sehnte mich nach meiner kleinen Schlafkammer, den vertrauten Korridoren und Treppen von Sevenwaters, nach meinem beruhigend eintönigen Alltag. Und ich sehnte mich danach, wieder einen klaren Kopf zu haben. Was hatte Cathal gemeint, als er sagte, das alles wäre seinetwegen geschehen? Hatte er tatsächlich einen Verrat gestanden? Das wollte ich nicht glauben. Cathal war von Sevenwaters geflohen, bevor die Nachricht von dem Überfall kam. Er hatte mich in dem Moment abgelenkt, als Finbar entführt wurde. Und dann hatte er sich im Wald herumgetrieben, statt zu fliehen, und war mit mir den ganzen Weg in die Anderwelt gekommen. Es ergab alles keinen Sinn.

Ich betrachtete den schlafenden Cathal, der unter seinem Umhang ausgestreckt lag, den Kopf auf den gebeugten Arm gestützt. Im Ruhezustand waren seine Züge angenehm; nicht hübsch wie Aidans oder harmonisch wie Johnnys, sondern ernst und streng. Die Lider waren dunkel vor Erschöpfung, und die breiten Striche der Fuchstätowierung betonten die schwarzen Augenbrauen, die gerade Nase und die vorstehenden Wangenknochen. Die Konturen seines Gesichts waren kantig, es war nichts Weiches an ihnen, auch wenn seine Lippen im Schlummer weniger verkniffen wirkten. Falls er tatsächlich Aidans Halbbruder war, wie ich vermutete, ließ sich dafür kein äußerlicher Beweis finden. Es ist besser, wenn du und ich Abstand zueinander wahren. Wieder einmal fragte ich mich, warum er mich geküsst hatte.

»Ich möchte ihn nicht zum Feind haben«, flüsterte ich.

Ein trockenes Husten erklang aus dem Dickicht gleich neben mir. Ich schrak heftig zusammen und drückte Becan an meine Brust. »Wer ist da?«, zischte ich, redete mir ein, es wäre bloß ein Igel, obgleich ich förmlich spürte, dass es nicht stimmte.

Getrippel in den Büschen. Das waren keine Klauen, auch keine Pfoten. Nein, das waren Füße in Schuhen. So verrückt es war, ich dachte an Kobolde in kleinen grünen Stiefeln.

Cathal rührte sich, warf einen Arm über die Augen und rollte sich herum, so dass er mir den Rücken zukehrte. Ich wollte ihn eigentlich nur wecken, wenn etwas geschah, das ich nicht allein bewältigen konnte. Er hatte so müde ausgesehen, und im Schlaf schien er fast friedlich. Sollte dieses Ding, was immer es war, bis an die Zähne bewaffnet hervorstürmen, würde ich nicht zögern zu schreien.

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